Einblicke

Unter der Leitung von Felix E. Müller (Mitte) diskutierten Ruedi Küng, Kurt Zibung, Theresa Franz und Ivo Schaedler.

Aïssata Kouyaté, Sängerin und Tänzerin aus Guinea, und ihre Perkussion-Band.

Swisshand-Präsident Carlo Galmarini (redend) durfte grosse Spenden von Susanne Sorg-Keller (Rotary Club Zürich Nord), Ivo Schaedler (Sika) sowie Rainer Bätschmann (VCU) entgegennehmen.

1968, vor 50 Jahren, wurde die Stiftung Offene Hand gegründet. Seither durfte das Schweizer Hilfswerk viel Gutes bewirken. Am 15. November 2018 gab es hierzu in Zürich eine Jubiläumsfeier. An einer Podiumsdiskussion interessierte vor allem die Aussensicht: Wie sehen Fachleute das Wirken von Swisshand?
Stiftungs-Präsident Carlo Galmarini durfte eine überaus stattliche Gästeschar im Audi Max der ETH begrüssen. Es waren treue Gönner*innen, aber auch generell am Swisshand-Einsatz Interessierte. Mit ihren mitreissenden Rhythmen versetzten Powerfrau Aïssata Kouyaté, Sängerin und Tänzerin aus Guinea, und ihre Perkussion-Band die Gäste von Beginn an emotional nach Afrika.
Mit Afro-Frauenpower ging es auch ins Thema: Theresa Tebebiere Atte Franz, sie ist im ländlichen Nigeria aufgewachsen und lebt nun seit 25 Jahren in Deutschland, wo sie sich als erfolgreiche Unternehmerin etabliert hat. Sie bietet Übersetzungen und Dolmetscherdienste in 30 afrikanischen Sprachen an – für Behörden, Gerichte, Botschaften, internationale Organisationen und Institutionen.
«unheimlich viel Kraft in den Frauen»
«Wir afrikanischen Frauen wollen kein Mitleid,» stellte sie gleich zu Beginn klar, «unser Ziel ist Selbstachtung, Wohlstand, Hoffnung, Glück.» Den Ansatz von Swisshand taxierte sie als genau richtig: nämlich eine Initialzündung geben. Dieser Anstoss von aussen löse viel aus – danach aber schafften es die Frauen alleine. In den afrikanischen Frauen stecke «unheimlich viel Kraft». «Swisshand ermöglicht Entwicklung», brachte sie es auf den Punkt, «denn die Programme helfen zunächst den Frauen und Familien, dann aber auch den Dorfgemeinschaften und Ländern und schliesslich dem ganzen Kontinent.», davon ist Theresa Franz überzeugt.
Auf dem Podium – von Felix E. Müller, dem ehemaligen Chefredaktor der NZZ am Sonntag, geleitet – erläuterte Kurt Zibung, Mitglied des Stiftungsrates, die Strategie von Swisshand. Diese ermöglicht, dass jedes Jahr über 30’000 Mal ein Kleinstunternehmen gegründet, erweitert oder abgesichert wird. Ivo Schaedler, für Afrika zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung von Sika, unterstrich die Ernsthaftigkeit des Sika-Engagements: «Wir glauben an Afrika, auch im eigenen Betrieb.» Sika unterhält 13 Gesellschaften in Afrika und ist seit jeher dem Swisshand-Engagement wohlgesinnt.
«eigentliche Revolutionen»
Ruedi Küng, langjähriger Afrika-Korrespondent von Radio SRF, zeigte sich beeindruckt vom unaufdringlichen, aber wirkungsvollen Einsatz in Afrika und der gänzlich ehrenamtlichen Tätigkeit in der Schweiz. «Swisshand wirkt aus dem Hintergrund und mischt sich nicht zu sehr ein», erklärte er. Das sei der richtige Ansatz, denn «die verschiedenen afrikanischen Gesellschaften müssen sich selber entwickeln.» Was aber dank der Programme im Kleinen ablaufe, seien «eigentliche Revolutionen». In den Frauenhaushalten geschehe nachhaltige Entwicklung. Die Freiheit, nun eigenes Geld zu haben, und das Selbstwertgefühl, Fortschritt zu erzielen, seien die Treiber dieser Entwicklung.
Die Diskutierenden waren sich einig, dass der vom VCU inspirierte unternehmerische Ansatz, verbunden mit christlichen, beziehungsweise abendländischen Werten, der richtige ist. Angeregt wurde, die Schweizer Wirtschaft noch stärker in die Programmarbeit einzubinden.
Eingeladen, Swisshand Ratschläge mit auf den Weg zu geben, meinte Theresa Franz: «Moderne junge Frauen in der Stadt warten auch brennend auf eine solche Unterstützung.» Ivo Schaedler sieht die Stiftung auf dem richtigen Weg: «Weiter so, in kleinen Schritten». Auch Ruedi Küng riet, die Bescheidenheit zu bewahren und weiterhin auf Augenhöhe mit den Menschen in Afrika zusammenzuarbeiten. Und Kurt Zibung erachtet es als lohnenswert, vermehrt mit Privaten Synergien zu suchen.
Anfang Oktober 2014 hielt sich eine Gruppe von Mitgliedern des Stiftungsrats und Länderverantwortlichen eine Woche lang in Uganda auf. Der Besuch war als Schulungsreise konzipiert. Es ging darum, Erfolgsmerkmale sowie Chancen und Risiken der Swisshand-Selbsthilfeprogramme vor Ort vertieft kennenzulernen. Die Swisshand-Delegation besuchte Programmpartner, Programmkoordinatoren, Frauengruppen und Mikrounternehmer*innen in den Armutsgebieten rund um die Hauptstadt Kampala. Die Freude der Programm-Begünstigten und ‑Mitarbeitenden über den Schweizer Besuch war enorm gross; stolz präsentierten sie das Erreichte. Gemeinsam kam man aber auch auf Schwierigkeiten und Probleme zu sprechen. Zurück in der Schweiz, bereichert durch die vielen Kontakte, wichtigen Einblicke und Einsichten, sind die Länderverantwortlichen nun daran, bei ihrem ehrenamtlichen Einsatz zur Bekämpfung der Armut die neu gewonnenen Erkenntnisse in die Tat umzusetzen.
Gönnerinnen und Gönner besuchten Programme im Nordosten Brasiliens


von Herbert Kuhn und Hildegard Jutz
Im November 2011, vier Jahre nach der Äthiopien-Reise, ermöglichte die Stiftung Offene Hand “Swisshand” ihren Gönner*innen zum zehnten Mal eine Reise in ein Programmgebiet: Sie führte in den Nordosten Brasiliens. Hier, in der ärmsten und rückständigsten Region dieses Landes, nahmen die Swisshand-Programme, welche Armut durch Schulung und Zugang zu Mikrokrediten überwinden wollen, vor 17 Jahren ihren Anfang.
Auf dem reichhaltigen Programm der zehntägigen Reise standen Besuche von lokalen Partnerorganisationen und vielen Kleinstunternehmer*innen. Die Reisegesellschaft sollte die Sorgen und Herausforderungen, aber auch die Spontanität und Lebensfreude der Brasilianerinnen und Brasilianer kennenlernen.
Ausgangspunkt war Natal, die Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Norte. Ungeachtet der späten Ankunftszeit wurde die Gruppe bereits auf dem Flughafen aufs herzlichste empfangen – mit beschwingten Rhythmen der Stadtmusik.
Ein erster Höhepunkt war der Empfang der Gouverneurin des Bundestaates im Regierungssitz. Daran schloss sich ein Ausflug in die Umgebung an, wo mehrere von Swisshand geförderte Kleinstunternehmer*innen besucht wurden, beispielsweise vier Frauen, die zusammen eine Garküche betreiben. Bewundernswert war zugleich die reiche Vegetation des tropischen Regenwaldes.


Von Natal ging die Reise weiter nach Mossoró. Auch dort wurden zusammen mit der Partnerorganisation Mikrounternehmen besucht, unter anderem eine Kleinweberei, die Putz- und Waschlappen für den Hausgebrauch herstellt. Am Abend in Icapui, einem romantischen Ort auf den Dünen über dem Meeresstrand, erlebte die Reisegruppe eine stimmungsvolle Überraschung: Im Schein des Vollmonds führte eine Strassentheatergruppe folkloristische Tänze auf. Der Einstand in die Reise wurde gebührend gefeiert.
Von da aus ging es ins Landesinnere des Bundesstaates Ceará, via Canoa Quebrada, einem Ort mit einer ganz eigenen Magie, über Aracati nach Jaguaruana, dem Zentrum der Hängematten-Herstellung, bis Limoeiro, einer typischen Kleinstadt im Sertão. Unterwegs wurden Unternehmer*innen mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen besucht. Alle zeigten der Gruppe voller Stolz, was sie dank Swisshand aus eigener Kraft erreicht hatten.

Von Limoeiro ging es nordwärts wieder der Küste zu. Dazwischen wurde Halt gemacht in Quixadá, einem Wallfahrtsort, bekannt wegen der markanten Felsformation „Pedra da Galinha Choca“. An diesem Ort nahmen die Aktivitäten von Swisshand mit einem ersten Programm ihren Anfang.


Letzte Station war Fortaleza, die Hauptstadt des Bundesstaates Ceará. In dieser Grossstadt drehte sich das Programm vor allem um eines: um Abfall. Zusammen mit der Partnerorganisation wurden Kleinst-Initiativen von Abfallentsorgung und Abfallverwertung besucht. Der ohnehin schon eindrückliche Tag endete mit einem unvergesslichen Erlebnis: Das philharmonische Orchester von Ceará gab inmitten des gesammelten Abfalls ein Konzert – darunter Ravels Boléro. Ein surreales Erlebnis, das die grossen Gegensätze in Brasilien treffend illustrierte.


Den Abschluss der Reise bildete ein Ausflug zum Fischerdorf Prainha do Canto Verde. Die Gruppe erhielt Einblick in ein von einem Schweizer angestossenes Vorzeigeprojekt, das die Bevölkerung des kleinen Fischerdorfes in ihrem Selbstwertgefühl stärkte und eine nachhaltige soziale, gewerbliche und ökologisch verträgliche Entwicklung herbeiführte.
Unvergesslich sind die Eindrücke, welche die Reisegruppe mit nach Hause nehmen konnte. Der regionalen Vertreterin von Swisshand, Eulaidia Araujo, und zahllosen Brasilianerinnen und Brasilianern, die freudig mitgewirkt hatten, sei Dank. Sie hatten ein Programm ermöglicht, das alles beinhaltete: abwechslungsreiche Landschaften mit atemberaubenden Stränden, trockenen Savannengebieten, archaischen Felslandschaften, einfachen Dörfern und Städten im Landesinneren sowie boomenden Grossstädten. Überaus eindrücklich waren die Begegnungen mit der Bevölkerung, mit einfachen Leuten aus ärmsten Schichten ebenso wie mit Politikern und Führungspersonen. Abgerundet wurde das Erlebnis mit Kostproben brasilianischer Kultur, mit Musik und Literatur.
Und ganz zentral erhielten die Reiseteilnehmenden vertiefte Einblicke in die Arbeit von Swisshand in Brasilien. Sie konnten sich vor Ort von der aufbauenden, auf Dauer angelegten Wirkung der Programme zur Armutsbekämpfung überzeugen.